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  • AutorenbildAnne Kuhnert

Es geht wieder los

Lose Gedanken im Zug zu CoVid-19 und #coronaeltern

Es ist Mitte Juni und nächste Woche starten unsere Sommerferien in Berlin. Die Kinder freuen sich, weil sie endlich Zeit mit uns haben, und ich bin verwundert: Bitte, was?! Wieso wollt ihr noch mehr Zeit mit uns? Denn ich bin wirklich reif für Zeit allein und reif für meine Insel.


Anne sitzt mit Mundschutz in der Bahn
Anne mit Mundschutz in der Bahn

Zeitsprung

Ok, ich spule die Zeit zurück: Wir haben den 16.03.2020 und seit heute haben die Schulen und Kitas geschlossen. Wir befinden uns mitten in der Corona-Pandemie und im Lock-Down. Zu dem Zeitpunkt wussten wir nicht, wieviele Wochen wir gemeinsam mit unseren 4 (!) Kindern in unserer Wohnung gestalten müssen. Im März bin ich noch aufgeregt, hab neue Ideen und sprudele nur vor Tatendrang. HomeOffice, HomeSchooling, Care-Arbeit und Freizeit unter einen Hut bringen? - Kein Problem, denke ich damals noch. Zack, die Ärmel hoch gekrempelt und los geht's!



Wenn ich jetzt darüber nachdenke, könnte ich laut loslachen und mich schütteln: ANNE, wach auf! Wie schnell gehst du grad den alten Rollenverteilungen auf den Leim. Denn natürlich war das von Beginn an ein hoffnungsloses Unterfangen. Für vier Kinder guten Hausunterricht gestalten und auch noch projektbezogen in den Alltag integrieren? Dazu meine Selbständigkeit, die durch CoVid-19 völlig aus den Bahnen geraten war, wieder auf die Spur kriegen und ein neues Unternehmen aufbauen? Sich zugewandt und achtsam um die Familie kümmern, den Haushalt nicht eskalieren lassen, den Mental Load und täglich gesundes und gutes Essen auf dem Tisch? Ja, und die Zeit zum Lesen und Ausruhen nicht vergessen. In meinem "ich-schaff-alles-was-ich-mir-vornehme"-Wahnsinn bin ich in DIE klassische Falle getappt, in der sich während der CoVid-19-Pandemie zahlreiche Frauen wiederfanden. Ich nenne sie die "dysfunktionale-Held:innen-Falle", also die Falle, in der Frauen, wie ich, dysfunktional werden und meinen, sie müssten alles allein stemmen. Dabei laden sie zu viel auf ihre Schultern und geraten in Verhaltensmuster, wie wir sie aus den 50er Jahren noch kennen. Gruselig eigentlich.


Jugendliche sitzt vor dem Laptop und lernt
Das große Kind lernt Latein und die Mutter gleich mit

Was sagt denn die Familie?

Die Rückmeldungen der Kinder sind durchweg positiv. Sie haben mehr und besser gelernt, wollen auf gar keinen Fall zurück in keine der 4 Schulen. Liebe Institution Schule: Denk mal drüber nach! Und meine Auftraggeber:innen? Auch zufrieden und glücklich. Das neue Online-Kurs-Format www.indipaed.de läuft gut und selbst die großen der großen Bildungsträger und Ministerien kooperieren mit mir. Schaue ich mir die Wohnung und den Balkon an, bin ich auch zufrieden. Warum also fühle ich mich, wie eine leere Batterie, die nach Luft japst?


Kind ist im Bildschirm in einer Videokonferenz zu sehen und übt Vokabeln.
HomeSchooling und Vokabeln abfragen

Und da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Wo ist eigentlich der Part mit der Zweisamkeit, der Paarzeit, der Einsamkeit und der Freizeit geblieben? Wo bin eigentlich ich dabei geblieben? Warum ist mein Bücherstapel seit März unangetastet? Wieso wiege ich 10kg mehr ? Und wo sind die 6kg Kaffeebohnen geblieben? Wieso war ich immer noch nicht beim Friseur und kämme die strubbeligen Haare nur noch mit aller Härte? Und wieso hab ich neuerdings jeden Tag Kopfschmerzen? Und hätte es vielleicht Auszeiten gegeben und ich habe sie nicht genutzt?


Selbstreflexion

Natürlich hätte ich die Familie nur nach Auszeiten fragen müssen. Aber ich hatte den Eindruck, ich werde dann meinem eigenen Anspruch nicht gerecht, ich wäre faul, ich würde Zeit verschwenden und wäre nicht sinnvoll. Diese vermaledeite Prägung, die mich immer wieder einholt. Sicherlich ist das Quatsch, und trotzdem schwer dem kleinen Geflüster im Ohr zu entkommen. Meine Balance zwischen all den Aufgaben und mir selbst ist in der Corona-Zeit mächtig aus den Fugen geraten. Es wird Zeit, die Fugen wieder zu füllen und meine Akkus aufzuladen. Helfen kann dabei, mit den Kindern und der Familie gute Absprachen zu treffen: Wer hilft wann und wie. Wer kann Aufgaben übernehmen? Und zuletzt immer im Kopf zu haben: Mut zur Lücke. Es muss nicht alles klappen und alles geschafft werden.


Fazit: Eins ist somit klar - Was ich will und brauche, ist Zeit für mich. Um mich neu zu sortieren und aufzutanken um noch Reserven für die Sommerferien zu haben. Die CoVid-19-Pandemie hat uns gesellschaftlich aufgezeigt, wie 'leicht' Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen sind. Oder eben auch nicht. Nun wird es Zeit, nicht nur die Einzelnen zu mehr Selbstachtsamkeit anzuregen. Vielmehr braucht es Strukturen und Ideen, die helfen, bei der nächsten Pandemie, dem nächsten Lock-Down nicht die Last auf die Rücken der Frauen zu legen.

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